Innenansichten: Das Sortiment in fünf Jahrzehnten
Es gibt einen Kurzfilm aus den 1970er Jahren, in dem die Buchhandlung die Hauptrolle spielt. In allerlei teils wundersam absurden Sequenzen bewegen sich Buchhändler*innen und Freiund*innen des Ladens mit einem Schlauchboot zwischen den damals wie heute platzierten Holzregalen hindurch. Es hat sich also in den letzten fünf Jahrzehnten nichts verändert?
Fast – auch wenn die Regale anders befüllt sind, der Anspruch gute Literatur und vielfältige Positionen zur aktuellen politischen Debatten abzubilden, hat sich als Leitgedanke bei der Gestaltung des Sortiments über die Jahre erhalten, auch wenn die Rahmenbedingungen im Buchhandel spürbar andere geworden sind.

Wir besorgen jedes Buch! So warb jos fritz in der Anfangszeit, keine wie auch immer geartete »Parteilinie« sollte bestimmen, welche Bücher gelesen werden können. Auch im Laden selbst wollte man das breite Spektrum der linken Debatten und Positionen abbilden. Zwar gab es eine recht deutliche Trennung von linken Büchern und bürgerlicher Literatur, der Laden aber vermied eine dogmatische Zuordnung. Und doch war die Ladenfläche natürlich begrenzt, auch wenn ein quer durch den schlauchigen Laden verlaufendes Brett, die »Brücke« genannt, zumindest die blauen Bände der Marx-Engels-Werkausgabe aus den Regalen nahm und dort Platz für anderes schaffte. Neben den Verlagserzeugnissen spielten in dieser Zeit auch die sogenannten Raubdrucke ein Rolle. An der Universität schon in den 1960er Jahren rege gehandelt, tauchten sie zunehmend in verbesserter Qualität auf. Irgendwann ging der Börsenverein des Buchhandels offensiv dagegen vor, was die Verbreitung zwar nicht stoppte, aber ein konspirativeres Vorgehen erforderte. Im Laufe der Zeit verschwanden die Raubdrucke auch aus den Schubladen unter den Ladentischen.
Die Gründung von jos fritz fällt in eine Zeit, in der eine umtriebige linke Literaturlandschaft existierte. Verlage wie Trikont, Roter Stern, die Edition Nautilus oder Wagenbach konnten dabei, wie eben auch die unabhängigen Buchhandlungen, auf die Strukturen des VLB (Verband des Linken Buchhandels) zurückgreifen, Auslieferungen wie die SOVA (Sozialistische Verlagsauslieferung) ermöglichten einen unkomplizierten Zugriff auf »Bücher mit emanzipativem Inhalt«, wie die 2023 abgewickelte SOVA in ihrer Selbstbeschreibung schrieb.

Neben den Raubdrucken existierte noch weiteres juristisches Feld der politischen Auseinandersetzung: Immer wieder kam es zu Ermittlungsverfahren gegen verschiedene Akteure der linken Buchhandelsszene. So sprach Verleger Klaus Wagenbach nur wenige Monate nach Eröffnung im jos fritz über sein Verfahren, das aufrund des §130a StGB gegen ihn lief.
Der Buchladen selbst wurde 1978 über ein Emittlungsverfahren wegen Verdachts eines Vergehens nach $129a Abs. 1 StGB (als wegen unterstützung einer kriminellen Vereinigung) informiert. Hausdruchsuchungen und Beschlagnahmungen wegen Titeln wie Bommi Baumanns »Wie alles Anfing« oder Zeitschriften wie »Radikal« oder »Ausbruch« gab es bis in die 1990er Jahre (siehe Gerhard Frey, Hausdurchsuchungen).
Heute ist die Trennung in bürgerlichen und linken Buchhandel so nicht mehr aufrechtzuhalten, und trotzdem findet sich bei jos fritz vieles, was es sonst nur selten in den Buchläden zu finden gibt. Sortiment umfasst Gebiete wie Linke Diskussion, Antisemitismus, Rassismus, Neue Rechte, zudem reagiert der Laden flexibel auf aktuelle Themen mit kleinen Buchausstellungen, auf gesellschaftliche Entwicklungen mit Verschiebungen. Etwas leerer ist es auch geworden, und vielleicht etwas übersichtlicher.
Noch immer Kleinverlage, Indiebooks, politische Sachbücher, Kinderbuch. Seit 2024 sind auch die schön gestalteten Bände der Büchergilde Gutenberg im jos fritz zu finden. Buchhändler*innen entscheiden sich mutig für eine Darstellung der Vielfalt in der Literaturlandschaft möchten dabei aber in der Haltung konsequent und stabil bleiben. Die Auswahl ist dabei nicht nur durch die Verkäuflichkeit geleitet, den Leser*innen soll auch etwas zugemutet, zugetraut werden und dadurch ermöglicht werden, Neues zu entdecken.