Gustavo Faverón Patriau
Unten leben
Es beginnt mit einem Rätsel. Schlägt man das schwere, aber gut in der Hand liegende Buch Unten leben von Gustavo Faverón Patriau auf, stößt man zunächst auf zwei nebeneinander abgedruckte Lexikoneinträge über einen gewissen George Walker Bennett. Im ersten Eintrag, er ist der „Encyclopedia of American Underground Filmmakers“ entnommen, wird Bennett als US-amerikanischer Filmemacher vorgestellt, dessen Spuren sich nach einer Reise durch Paraguay, Argentinien und Chile schließlich in Peru verlieren. Daneben ein weiterer Eintrag, diesmal aus der „Encyclopedia of American Romantic Killers“, der keineswegs deckungsgleich aber vielleicht doch vereinbar mit dem ersten Eintrag, Bennett als mehrfachen Mörder einführt. Wer also ist dieser George Walker Bennett?
Es sind großartige 600 Seiten, die der peruanische Autor Gustavo Faverón Patriau dafür verwendet, diese Frage zu beantworten. Unten leben ist ein Buch voller Abenteuer, ein Kriminalroman, eine Geschichte, die aus tausend Geschichten besteht, und ein Reisebericht durch Länder, in denen der Wahnsinn und das Grauen herrschen. Das erinnert oftmals an Roberto Bolaño, und wie bei diesem spielt die Gewalt auch bei Faverón Patriau eine bedeutende Rolle.
Es ist ein düsterer Roman, der von Folterkellern und unterirdischen Gefängnissen durchzogen ist, es ist eine labyrinthische Geschichte des südamerikanischen Kontinents, die das Wüten von Figuren wie Augusto Pinochet in Chile oder Alfredo Stroessner in Paraguay beschreibt und dabei nicht selten auf Spuren verweist, die nach (Nazi-) Deutschland führen (es tauchen beispielsweise ein Folterknecht namens Egon Schiele, ein Rainer Enzensberger und, natürlich, Werner Herzog auf).
Es ist aber auch ein humorvoller Roman, voller literarischer Anspielungen und Spielereien. Und das nicht zuletzt deshalb, da nahezu jede Figur des Romans, in dem verrückte Künstler, gelehrte Spione und geisterhafte Dichter ihr Unwesen treiben, einen Doppelgänger zu besitzen scheinen. Man weiß nie so genau, wen man hier vor sich hat. Das macht das Lesen zu einer nicht unanspruchsvollen, aber mehr als lohnenden Angelegenheit. Ein zweiter Lesedurchgang kann durchaus helfen, wahlweise kann dieser aber auch einem Doppelgänger überlassen werden.
Jonas Wegerer
Literaturverlag Droschl , gebunden , 600 Seiten
34.-€ €
978-3-99059-191-8
22.08.2025
Unten leben
Es beginnt mit einem Rätsel. Schlägt man das schwere, aber gut in der Hand liegende Buch Unten leben von Gustavo Faverón Patriau auf, stößt man zunächst auf zwei nebeneinander abgedruckte Lexikoneinträge über einen gewissen George Walker Bennett. Im ersten Eintrag, er ist der „Encyclopedia of American Underground Filmmakers“ entnommen, wird Bennett als US-amerikanischer Filmemacher vorgestellt, dessen Spuren sich nach einer Reise durch Paraguay, Argentinien und Chile schließlich in Peru verlieren. Daneben ein weiterer Eintrag, diesmal aus der „Encyclopedia of American Romantic Killers“, der keineswegs deckungsgleich aber vielleicht doch vereinbar mit dem ersten Eintrag, Bennett als mehrfachen Mörder einführt. Wer also ist dieser George Walker Bennett?
Es sind großartige 600 Seiten, die der peruanische Autor Gustavo Faverón Patriau dafür verwendet, diese Frage zu beantworten. Unten leben ist ein Buch voller Abenteuer, ein Kriminalroman, eine Geschichte, die aus tausend Geschichten besteht, und ein Reisebericht durch Länder, in denen der Wahnsinn und das Grauen herrschen. Das erinnert oftmals an Roberto Bolaño, und wie bei diesem spielt die Gewalt auch bei Faverón Patriau eine bedeutende Rolle.
Es ist ein düsterer Roman, der von Folterkellern und unterirdischen Gefängnissen durchzogen ist, es ist eine labyrinthische Geschichte des südamerikanischen Kontinents, die das Wüten von Figuren wie Augusto Pinochet in Chile oder Alfredo Stroessner in Paraguay beschreibt und dabei nicht selten auf Spuren verweist, die nach (Nazi-) Deutschland führen (es tauchen beispielsweise ein Folterknecht namens Egon Schiele, ein Rainer Enzensberger und, natürlich, Werner Herzog auf).
Es ist aber auch ein humorvoller Roman, voller literarischer Anspielungen und Spielereien. Und das nicht zuletzt deshalb, da nahezu jede Figur des Romans, in dem verrückte Künstler, gelehrte Spione und geisterhafte Dichter ihr Unwesen treiben, einen Doppelgänger zu besitzen scheinen. Man weiß nie so genau, wen man hier vor sich hat. Das macht das Lesen zu einer nicht unanspruchsvollen, aber mehr als lohnenden Angelegenheit. Ein zweiter Lesedurchgang kann durchaus helfen, wahlweise kann dieser aber auch einem Doppelgänger überlassen werden.
Jonas Wegerer
