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josfritz Buchhandlung Freiburg
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Şeyda Kurt

cover

Harper Collins , kartoniert , 208 Seiten

 18.- €

 978-3-365-00158-5

 21.03.2023

Hass

Von der Macht eines widerständigen Gefühls

Hass ist niederträchtig, schädlich, moralisch verwerflich, unmenschlich, hässlich. Mit diesen Eigenschaften bringen vermutlich viele den Hass in Verbindung und verbannen ihn dorthin, wo er gesellschaftlich angemessen scheint – ins Verborgene. Denn der Hass passt nicht gut in das Selbstbild einer aufgeklärten und zivilisierten Gesellschaft. Şeyda Kurt versucht mit diesem Buch, den Hass differenzierter zu betrachten, ihn in seiner politischen Dimension abzubilden und dabei fortlaufend das Verhältnis von Hass und Herrschaft zu hinterfragen.

Das Buch beginnt zunächst mit einer Führung durch die Ideengeschichte des Hasses, von der griechischen Antike und frühchristlichen Deutungen bis zur westlichen Philosophie des 19. Jahrhunderts sowie der Gegenwart. Sortiert wird dabei auch das ganze Potpourri an ablehnenden Gefühlen wie Zorn, Empörung, Verachtung, Wut und schließlich auch Hass. Die Empörung sei nobel, die Wut weitestgehend akzeptiert so lange sie nicht zu aggressiv ist. Doch der Hass bleibt verpönt, denn er hat ein einzigartiges, zerstörerisches Potential und richtet es sich nicht in den bestehenden Machtverhältnissen ein. In dem gesellschaftlichen Geflecht der Hierarchien und Unterdrückung erkennt Şeyda Kurt im Hassen ein Instrument der Verteidigung, der Rache, des Widerstands unterdrückter Menschen. Diese Form der Selbstermächtigung betitelt sie als „strategischen Hass“
.
Der zweite Teil des Buches versorgt dieses Konzept mit zahlreichen Beispielen. Fragmentarisch reihen sich persönliche Erinnerungen, popkulturelle Referenzen, historische Ereignisse und Berichte gegenwärtiger Widerstandskämpfe aneinander. Der Fokus liegt hierbei auf Menschen im Kampf gegen ausbeuterische, patriarchale und rassistische Bedrohungen. Es sind Geschichten wie unter anderem die von Luisa Toledo Sepúlveda, Sakine Cansız und Lonko Juana Calfunao Paillaléf, die beispielhaft die Notwendigkeit eines strategischen Hassens für das pure Überleben aufzeigen sollen. Hass, der dabei helfen kann, weiterzukämpfen anstatt in Gleichgültigkeit, Entmutigung oder Verdrängung abzudriften.
Das Buch erstaunt und beschäftigt mich. Auch wenn mich die Textform nicht überzeugt, so beeindruckt mich der Mut, unbequeme Fragen zu stellen und sich möglichen Antworten anzunähern.

Franziska Parton