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josfritz Buchhandlung Freiburg
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Eva Illouz

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Aus dem Französischen von Michael Adrian.
Suhrkamp Verlag , gebunden , 103 Seiten

 12.- €

 978-3-518-47530-0

 15.09.2025

Der 8. Oktober

Über die Ursprünge des neuen Antisemitismus

Hat sich die Autorin vertan, meinte sie nicht den 7. Oktober? Nein, die Französisch-Israelische Soziologin Eva Illouz hat ein kleines Büchlein geschrieben, in dem sie explizit auf die Reaktionen in der sich als progressiv verstehenden westlichen Linken Bezug nimmt, die einen Tag nach dem Massaker der Hamas, statt wie eigentlich im Sinne des Humanismus mit Mitleid zu reagieren, teilweise in Jubelgesänge ausgebrochen war. Wie kann so etwas sein?

Eva Illouz gelingt es auf knapp 100 Seiten, den (wieder) aufflammenden Antisemitismus in akademischen linken Milieus zu dekonstruieren und bietet gestochen scharfe soziologische, politikwissenschaftliche und psychologische Erklärungsmuster – denn den Antisemitismus einfach nur durch Antisemitismus zu begründen wäre tautologisch...

Der 8. Oktober liest sich teilweise wie eine sehr komplexe Univorlesung – jede Menge theoretisches Hintergrundwissen wird im Mittelteil, wo es um die Erklärungsmuster des „pouvoirisme“, der „Superkritik“ oder der „umherwandernden Strukturen“ geht, vorausgesetzt. Es ist also keine einfache Lektüre, aber den theoretischen Hintergrund braucht es unbedingt, um nicht denselben Fehler zu begehen wie die angeprangerte Personengruppe, der Illouz ein zu einfaches Weltbild und die Unfähigkeit zu abstraktem Denken sowie des Erkennens von Fakten und Wahrheit unterstellt.

Antisemitismus ist hyperkomplex und das macht ihn so gefährlich. Laut Illouz bilden sich besagte akademische Linke ein, ihren angeblich moralisch legitimen Antizionismus zur Lösung aller globalen Probleme einsetzen zu können. Selbst am Klimawandel soll Israel nach ihrer Logik schuld sein. Wenn wir Israel nun durch den Begriff Juden ersetzen, und nichts anderes impliziert am Ende dieses Denkmuster, landen wir bei einem Antisemitismus, den selbst die größten Antizionist*innen für historisch überwunden hielten.
Spannend wird es auch am Ende, wenn Illouz empirisch auf diverse Allianzen, man könnte auch sagen „Querfronten“, zwischen Linken und islamistischen Kräften hinweist. Besonders in Illouz' Heimat Frankreich passiert das derzeit auf parteipolitischer Ebene, doch auch in queerfeministischen Kreisen Freiburgs werden die Verbrechen der Hamas bereits relativiert und eine Kritik an der Terrormiliz teilweise als rassistisch skandalisiert. Umso wichtiger, dass es solch ein Buch gibt.

Eva Gutensohn, Radio Dreyeckland