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josfritz Buchhandlung Freiburg
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Annette Pehnt

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Piper Verlag , gebunden , 288 Seiten

 24.- €

  978-3-492-07404-9

  01.08.2025

Einen Vulkan besteigen

Minimale Geschichten

„Weiße Landschaft“, „Pfirsiche“, „Pfeffer und Ewigkeit“. So lauten drei von 35 Titeln der „minimalen Geschichten" von Annette Pehnt. In einer Nachbemerkung legt die Freiburger Autorin den Glutkern ihres neuen Buches offen, die Frage: Was entsteht, wenn man im Schreiben alles Überflüssige weglässt? Seit ihren ersten Romanen Ich muss los und Insel 34 schreibt Annette Pehnt unbeirrbar auf das Ungewisse zu, die Ränder, den Kitt, die Inseln, das Entlegene.

Einen Vulkan besteigen folgt dieser Bewegung in die Höhenlagen. Der Weg wird eng, der Horizont weit. Es geht um die Sprache selbst. Radikal einfach soll sie klingen. Der Satzbau schlicht, die Worte trittsicher. Überwiegend linear erzählte Geschichten, von denen eine so beginnt: »Ich weiß genau, was ich tun muss. Es kommt darauf an.« Eine andere: »Vater ist schwer. Dabei sieht er leicht aus.« Hier oben, am Rande des Vulkans, wird die Luft dünn. Es lauern Unwägbarkeiten, die das Erzählte entfesseln, die Sätze beginnen zu schweben: Wie schon bei Pehnts letztem Roman Die schmutzige Frau steht jeder Satz in einer eigenen Zeile.

Das Geheimnis dieser kurzen und noch kürzeren Prosastücke liegt in ihrer inneren Spannung, in der Balance, die virtuos bis zur letzten Zeile hält. Annette Pehnt spürt den Kippmomenten unserer schwindelerregenden Gegenwart nach. Der Fährmann zieht die geliebte Uniform aus. Ein Regierender hadert mit seiner Wiederwahl. Eine Frau geht in den Wald. Kinder büxen aus. Ein Vater stirbt. Diese aufs Wesentliche reduzierte Literatur zeigt, wo wir scheitern, zweifeln, schlittern, weitermachen.
Von ganz oben eröffnet sich zudem ein erstaunlich einfühlsamer Blick auf das generationsübergreife Miteinander unseres gesellschaftlichen Gefüges. Seine Schönheit liegt in einer schwebend leichten Sprache, die trägt. Drei andere Geschichten titeln so: „Von innen brennen“, „Bäume lernen“, „Glückskinder“. Mehr braucht es nicht, um in 35 Geschichten einen Vulkan zu besteigen.

Martin Bruch, Literaturhaus Freiburg