Benet Lehmann
Esthers Spuren
Die Geschichte der Shoa-Überlebenden Esther Bejarano und der Kampf gegen Rechtsextremismus
Benet Lehmanns Buch ist keine leichte Sommer- oder gar Urlaubslektüre. Auch keine Promi-Biografie, die sich irgendwie nebenher konsumieren lässt. Denn das Buch, das viel mehr ist als die Nacherzählung der von der Shoa-Überlebenden Esther Bejarano selbst erzählten Lebensgeschichte, geht beim Lesen oft über die selbst gesetzten Außen-Abgrenzungen, dringt vor in sensible Bereiche des individuellen inneren Daseins.
Der 28-jährige Autor fragt sich – und damit die Lesenden – nämlich immer wieder, was Menschen dazu bringen kann, sich wider besseres Wissen mit menschenverachtenden Ideologien gemein zu machen. Er versucht herauszufinden, welches die Auslöser dafür sind, dass Mitläufer*innen zu Täter*innen werden. Und er sucht nach den Kipppunkten, die aus eigentlich harmlosen Menschen (Massen)Mörder machen, die weniger in vorauseilendem Gehorsam denn aus der Überzeugung handeln, als blutsrechtlich legaler Zugehöriger einer als überlegen definierten Volksgemeinschaft das Recht zu haben, über das Leben anderer, zu illegalen Eindringlingen oder „Gefährdern" erklärten Menschen entscheiden zu können.
Er macht auch keinen Hehl daraus, dass solche Mechanismen auch 80 Jahre nach dem Ende des Nazi-Terrors noch immer wirken. Oder wieder, wie die breite Zustimmung zu der von der AfD propagierten und von den Parteien der angeblichen bürgerlichen Mitte umgesetzten Politik gegen Geflüchtete und andere migrantische Gruppen zeigt. Und er stellt Bejarano, die als 20-Jährige Zwangsarbeit, Auschwitz, Ravensbrück und einen Todesmarsch zwar knapp überlebte, aber alles andere verloren hatte, auch in ihrem Engagement gegen rechte Umtriebe dar: Seit 1978 war die Frau, die 1946 nach einer Odyssee als Displaced Person in Palästina landete, dort eine Familie gründete und 1960 aus Israel zurückkehrte, öffentlich als unermüdliche Mahnerin, als kämpferische Zeitzeugin und antifaschistische Musikerin unterwegs. Und dass, obwohl sie „lange nicht über das Erlebte sprechen konnte". Anlass für das Ende des Schweigens, erzählte sie dem Autor, sei die Begegnung mit einer Gruppe Neonazis gewesen, die von uniformierten Polizisten vor ein paar Antifaschist*innen geschützt wurde, denen sie sich spontan angeschlossen hatte.
Benet Lehmann hat aus ihren Berichten kein zurechtgestutztes Heldinnenepos gemacht. Unbedingt lesen!
Erika Weisser, VVN-BdA Freiburg
Die VVN-BdA ist ein überparteilicher Zusammenschluss von Verfolgten des Naziregimes, Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfern, Antifaschistinnen und Antifaschisten aller Generationen.

Wallstein , gebunden , 254 Seiten
20.- €
978-3-8353-5726-6
25.09.2024
Esthers Spuren
Die Geschichte der Shoa-Überlebenden Esther Bejarano und der Kampf gegen Rechtsextremismus
Benet Lehmanns Buch ist keine leichte Sommer- oder gar Urlaubslektüre. Auch keine Promi-Biografie, die sich irgendwie nebenher konsumieren lässt. Denn das Buch, das viel mehr ist als die Nacherzählung der von der Shoa-Überlebenden Esther Bejarano selbst erzählten Lebensgeschichte, geht beim Lesen oft über die selbst gesetzten Außen-Abgrenzungen, dringt vor in sensible Bereiche des individuellen inneren Daseins.
Der 28-jährige Autor fragt sich – und damit die Lesenden – nämlich immer wieder, was Menschen dazu bringen kann, sich wider besseres Wissen mit menschenverachtenden Ideologien gemein zu machen. Er versucht herauszufinden, welches die Auslöser dafür sind, dass Mitläufer*innen zu Täter*innen werden. Und er sucht nach den Kipppunkten, die aus eigentlich harmlosen Menschen (Massen)Mörder machen, die weniger in vorauseilendem Gehorsam denn aus der Überzeugung handeln, als blutsrechtlich legaler Zugehöriger einer als überlegen definierten Volksgemeinschaft das Recht zu haben, über das Leben anderer, zu illegalen Eindringlingen oder „Gefährdern" erklärten Menschen entscheiden zu können.
Er macht auch keinen Hehl daraus, dass solche Mechanismen auch 80 Jahre nach dem Ende des Nazi-Terrors noch immer wirken. Oder wieder, wie die breite Zustimmung zu der von der AfD propagierten und von den Parteien der angeblichen bürgerlichen Mitte umgesetzten Politik gegen Geflüchtete und andere migrantische Gruppen zeigt. Und er stellt Bejarano, die als 20-Jährige Zwangsarbeit, Auschwitz, Ravensbrück und einen Todesmarsch zwar knapp überlebte, aber alles andere verloren hatte, auch in ihrem Engagement gegen rechte Umtriebe dar: Seit 1978 war die Frau, die 1946 nach einer Odyssee als Displaced Person in Palästina landete, dort eine Familie gründete und 1960 aus Israel zurückkehrte, öffentlich als unermüdliche Mahnerin, als kämpferische Zeitzeugin und antifaschistische Musikerin unterwegs. Und dass, obwohl sie „lange nicht über das Erlebte sprechen konnte". Anlass für das Ende des Schweigens, erzählte sie dem Autor, sei die Begegnung mit einer Gruppe Neonazis gewesen, die von uniformierten Polizisten vor ein paar Antifaschist*innen geschützt wurde, denen sie sich spontan angeschlossen hatte.
Benet Lehmann hat aus ihren Berichten kein zurechtgestutztes Heldinnenepos gemacht. Unbedingt lesen!
Erika Weisser, VVN-BdA Freiburg
Die VVN-BdA ist ein überparteilicher Zusammenschluss von Verfolgten des Naziregimes, Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfern, Antifaschistinnen und Antifaschisten aller Generationen.