René Freudenthal empfiehlt:
Maurizio Fiorino: K.O.
Archaische Gewalt und patriarchaler Machismo an Stelle von touristischen Klischees wie rauschenden Pinienwäldern, urigen Trattorien und Strandliegen am türkisblauen Ionischen Meer prägen das Süditalien der 1980er Jahre, wie es der 1984 im 2800 Jahre alten Crotone geborene kalabrische Autor und Fotograf Maurizio Fiorino mit staunenswerter Reduktionskunst und schonungsloser Intensität in K.O., seinem vierten Roman, schildert:
Im tristen Weiler Bagnamurata wächst Biagio mit seinem Vater, dem furchterregenden Dorfmetzger, auf.
Lesetipp von Ursula Hellerich
Yishai Sarid: Schwachstellen
In allen seinen Romanen berichtet der israelische Autor Yishai Sarid jeweils aus der Ich-Perspektive einer Hauptfigur über aktuelle gesellschaftspolitische Themen seines Heimatlandes. In Limassol von der Arbeit der Geheimdienste, in Monster über die multiperspektivischen Erinnerungen an die Shoah, in Siegerin über eine Armeepsychologin in Zeiten des Krieges. Im neuen Roman Sarids, Schwachstellen erzählt ein Computer-Nerd aus Tel Aviv. Nach seinem Wehrdienst möchte Siv am liebsten als Astronom andere Galaxien kennenlernen, denn auf dem hiesigen Planeten hat er nur Probleme: Seine Eltern trennen sich, seine jüngere Schwester ist vergewaltigt worden und seither drogensüchtige Prostituierte, Freunde hat er keine, dafür Probleme mit Frauen.
Harald Herrmann empfiehlt:
Etel Adnan: Sturm ohne Wind
„Ich weiß, was es heißt, ein Araber zu sein: Stolz, ohne Grund. Erniedrigt, ohne Grund.“
Vielleicht sollte man, spricht man von der enormen Schaffenskraft dieser singulären Künstlerin, mehr über ihre Hände und ihr (Alters-)Gesicht sprechen. Hand und Gesicht sind wahrnehmbar auf Bauern-Märkten. Es sind die Insignien lebenslanger Hand- und Körperarbeit. Wie immer, wenn man sich dem originären Kosmos (der ja unser aller Kosmos sein will) von Etel Adnan hinwendet, geht es um Licht, Epiphanie, Schönheit, Hass, Freude und eine Art Tremendum. Der Einfachheit halber könnte man auch sagen: Etel Adnan atmet einen Riss aus.
Andrzej Stasiuk: Grenzfahrt
Der Autor sucht mit atmosphärisch starken und dichten Bilder eine Nähe zur Geschichteherzustellen, der man sich lesend nur schwer entziehen kann.Dabei häutet Stasiuk Geschichte mit den Augen des Lesers und schafft Räume, die man betreten und auch wieder verlassen kann. Die Nähe, um die es dem Autor geht, ist eine Dauernde im Stillstand der Zeit. Die Hitze, sie ist da, die Gefahr, die Möglichkeit und Unmöglichkeit der Flucht, die Angst ist da, das Überleben ist da, die Sehnsucht nach Liebe.
Doris Knecht
Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
Sie ist die Tochter, die stets unsichtbar war neben ihren braven, blonden Schwestern. Sie ist die alleinerziehende Mutter, die sich stets nach mehr Freiheit und Unterstützung sehnte. Sie ist die Überempfindliche, ...
Lesetipps von Jana Kling:
Lesetipp von Renate Zimmer
Lukas Maisel: Tanners Erde
Die Fakten sind geologisch so gewöhnlich wie schnell erzählt: In einem Schweizer Bauerndorf sind auf der Kuhweide von Ernst Tanner zwei tiefe Erdlöcher entstanden. Wie eine Warnbarke hat sich der Kirschbaum neben den Löchern stark geneigt. Schon bevor sich das Nichts auf seiner Weide aufgetan hat, ist der gesundheitlich angeschlagene Tanner mit der Hofarbeit überfordert.