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josfritz Buchhandlung Freiburg
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Pier Paolo Pasolini

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Nach meinem Tod zu veröffentlichen

Wie über etwas schreiben, das einem fremd, unerhört, zärtlich vertraut, widerständig erscheint? Die späten Gedichte von Pasolini sind, über das Zeitgeschichtliche hinaus, begreifbar als eine Art Sprechgesang und Anrufungsgestus, in die Welt gestreut wie Samen auf einen unendlich weltlichen Acker. Frucht und Sorge, Revolte und Resignation sind für Pasolini eins gewesen und Antrieb für seine ungeheure Schaffenskraft und -wut.
In aller Widersprüchlichkeit widersprechen, auch sich selbst. Das setzt eigentlich ein großes
Selbstbewusstsein voraus, das, biografisch gesehen, dort nicht so einfach ablesbar ist (und war). Woher also die Kraft, die noch heute sichtbar und lesbar bleibt in seinem Werk, wie ist eine solche Konsistenz zu erklären? Reibung, Widerspruch bis zur Verlassenheit schaffen Kraftfelder, die mit der normalen Psychologie nicht betretbar sind. Oder gar mit Kategorien wie schwul, berserkerhaft, zärtlich, konsumkritisch, anti-kapitalistisch, nicht faschistisch...etc..
Pasolinis Schreiben sind in Poesie verwandelte Widerspruchsgesten, die die Widerständigkeit der Sprache und Wörter meint. Ein riesiger Befragungshorizont, in dem der Autor steht wie in einem Kreis. Eingebunden in großes historisches Wissen lebt seine Sprache einen Anarchismus in Formschönheit. Ein überzeugter Häretiker im Tollhaus des sich (fröhlich) entwickelnden Kapitalismus. Eine Art (Nicht-) Mystiker auf den Trümmern des Subproletariats. Furchterregende Schönheiten. Kafka, der ewige, unerkannte Begleiter....

Pasolini:
Freibeuter warst du, Tänzer, Akrobat.
Seiltänzer, über dem Abgrund die graue Luft. Den Himmel auf den Schultern tragend, hingst du beim Tanzen, wie ein Engel auf Stelzen, mitten in der Luft.

Dem guten Wagenbach Verlag ist zu danken, dass er viele bekannte und unbekannte Bücher (z.B.: in persona) zum hundertjährigen Geburtstag neu oder wieder aufgelegt hat. Der Suhrkamp Band Späte Gedichte: Nach meinem Tode zu veröffentlichen ist all jenen zu empfehlen, für die Geschichte nicht vorbei ist, die einen Autor (neu) entdecken wollen, ein liebenswertes Land nicht nur als Urlaubsziel begreifen.
Pasolinis Gegenwärtigkeit. Sein Aufbegehren ein Beispiel.

Harald Herrmann Künstler