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josfritz Buchhandlung Freiburg
josfritz Buchhandlung Freiburg

Ulrike Edschmid

cover

, Taschenbuch , 156 Seiten

 8.- €

 978-3-518-46535-6

 10.03.2014

Das Verschwinden des Philip S.

Als Philip S. 1967 in Berlin ankommt und sich an der Filmakade­mie einschreibt, hat er mit der politischen Aufgeregtheit der Studenten­bewegung nichts am Hut. Er ist 20 Jahre alt und hat sich gerade dem Schatten seiner großbürgerlichen Züricher Familie entzogen. Während Mitstudenten Agitations-Kurzfilme drehen, arbeitet er an dem melancholisch-ästhetischen Filmprojekt „Einsamer Wanderer“.

Er lernt die sieben Jahre ältere, alleinerziehende Mutter Ulrike Edschmid kennen und lieben, lebt mit ihr und ihrem Sohn in mehreren Wohngemeinschaften und gerät zunehmend in den Sog des politischen Diskurses der neuen Linken. Im Umfeld der Baader-Befreiung im Mai 1970 landet das Paar im Raster der staatlichen Repression, wird schließlich verhaftet und monatelang ohne Verfahren festgehalten. Für Philip S. bedeutet diese Erfahrung einen radikalen Bruch: Er zieht sich mehr und mehr aus der Beziehung und dem legalen Leben zurück, „verschwindet“ letztendlich im klandestinen Untergrund.

Im Mai 1975 stirbt Philip S. im Kugelhagel der Polizei auf einem Kölner Parkplatz. Die linken Medien konzentrierten sich damals vor allem auf das zweite Opfer: Karl-Heinz Roth, linker Arzt und Buchautor, hatte die Schießerei schwerst verletzt überlebt. Philip S. hat es nie in die Ikonographie der großen linken Erzählung der „bleiernen Zeit“ geschafft – in ihrem behutsam literarisierten Erinnerungsbericht (kein Roman!) holt seine frühere Gefährtin Ulrike Edschmid diese kurze Lebensgeschichte aus dem schwarzen Loch des Vergessens: anrührendes Porträt und exemplarische Mikrogeschichte.

 

 

Heinz Auweder