Schwimmbad
Louise Erdrich - Jahr der Wunder
Darüber habe ich mich gleich beim Aufschlagen des Buches gewundert: Der englische Originaltitel des Buches von Louise Erdrich lautet „The Sentence" – und im Deutschen ist das Buch mit „Jahr der Wunder" betitelt. Verwunderlich, nicht wahr? Sind doch mit diesen beiden Titeln sehr unterschiedliche Assoziationen und Erwartungen verbunden.
Worüber ich mich beim Lesen noch amüsiert und gewundert habe: In diesem Roman geben Buchhändler*innen ihren Stammkund*innen treffende Spitznamen und scheinen sie sehr genau zu kennen. Eine verstorbene Stammkundin lebt sogar als Gespenst oder Geist in ihrer Lieblingsbuchhandlung weiter. (Doch vielleicht ist dies nur bei Buchhandlungen zutreffend, die einen inhaltlichen Schwerpunkt bei den First Nations pflegen, wie im vorliegenden Roman der Fall...).
Ute Bender, Leserin und Kundin
Roman Ehrlich - Malé
Wie dem Wasser, das sich seinen Weg durch die morbiden Straßenzüge der versinkenden maledivischen Hauptstadt Malé bahnt, folgen wir dieser ziellos, doch stetig fließenden Erzählung. Dabei begegnen wir einer Handvoll Figuren, die sich auf diesem Atoll – Ort zwischen Euphorie und Resignation – auf die Suche begeben haben: nach Alternativen, nach Utopien, nach Solidarität, nach sonderbaren Katzenwesen oder verschwundenen Menschen. In ihrer Skurrilität sind diese Aussteiger*innen und das, was sie umtreibt, erstaunlich klar und zugleich eigentümlich verschwommen gezeichnet. Damit entsprechen sie ganz dem Stil des Romans, der sich manchmal wie ein narratives Chaos anfühlt, das großen Spaß macht. Der optimale Ort für die lohnenswerte Lektüre dieser ungewöhnlichen, angenehm verwirrenden Inselgeschichte ist – natürlich – umgeben von Wasser.
Lisa Blitz, Samstagskund*in
Susanne Schmid empfiehlt:
Julio Cortázar / Carol Dunlop - Die Autonauten auf der Kosmobahn
Julio Cortázar und Carol Dunlop begeben sich Anfang der 80er Jahre auf eine Forschungsreise. Und wie sich das für eine gute Expedition gehört, wird alles geplant: Strecke, Proviant, mögliche Gefahren und feste Regeln. Und dann auf! Auf die Autobahn Paris-Marseille und ihre 63 Rastplätze. Jeden Tag sollen zwei davon erforscht werden, auf dem zweiten wird übernachtet. Jedes Kapitel ihres Logbuchs ist entweder eine humoristische Erzählung, eine liebevolle Anekdote oder fröhliches Philosophieren. Und irgendwie fügt sich alles zu einer Art Roman. Einem Roman über Absurdistan, in dem wir alle leben. Mit ihrer durchgeknallten Ernsthaftigkeit haben die beiden Autor*innen ein urkomisches Buch geschrieben, das einem wegen ihrer absurden Einfälle die Tränen in die Augen treibt. Eine köstliche Studie über den Alltag, das Leben und das scheinbar Normale. Und eine Erzählung über eine große, zärtliche und lebensfrohe Liebe.
Sebastian Reiß; Sprecher, Moderator, Regisseur, Buchhändler, Samstagskunde
Ferdinand von Schirach - Nachmittage
Nehmt Teil an einer autobiographischen Lesereise an die verschiedensten Orte der Welt und zu Begegnungen an Nachmittagen, der Tageszeit, in der überall so viel Leben ist. Menschen treffen aufeinander, lernen sich kennen, begegnen sich ein einziges Mal. Besonders die einmaligen Begegnungen bleiben präsent, weil ihnen die größte Ehrlichkeit innewohnt. Einem Fremden das Innerste zu erzählen, ist wie Zwiesprache mit sich selbst, nur lauter. Denn manche Geschichten will man nicht allein hören, wenn man sie zum ersten Mal erzählt.
Nachmittage sind lang, im Sommer warm, im Winter eisig und manchmal voller Regen, sodass man sich in New York, Zürich oder Marrakesch an die Theke einer Bar flüchtet, sich am Kaffee wärmt und auf einmal im Leben eines völlig Fremden auftaucht.
Clara Blume, Samstagskund*in

Henri Maximilian Jakobs
Paradiesische Zustände
Was, wenn der eigene Körper ein Zuhause ist, in dem man eigentlich keine Sekunde zu viel verbringen möchte? Von einer Berliner Clubtoilette, in der er sturzbetrunken versucht, seinen Namen in die Rinne zu pinkeln, ...
Wallace Thurman - The Blacker the Berry
„The Blacker the Berry. A Novel of a Negro Life" erschien erstmals 1929 in New York. Der Autor Wallace Thurman war damals siebenundzwanzig Jahre alt und hatte noch fünf Jahre zu leben. Heute wird er der sogenannten Harlem Renaissance zugerechnet. Zora Neale Hurston, Langston Hughes oder Dorothy West sind die bekannteren Namen dieser kulturellen Bewegung im Harlem der 1920er Jahre.
„Je schwärzer die Beeren, desto süßer der Saft", heißt es, aber Emma Lou Morgan, die Heldin des Buches, kann diesem Spruch nichts abgewinnen. Sie hat die sehr schwarze Hautfarbe ihres Vaters, den sie kaum kennt, geerbt. Und sie empfindet dies als das große Unglück ihrer Existenz. Der Rassismus, unter dem sie leidet, ist ein Rassismus unter Menschen, die nicht weiß sind. Emma Lou hat eine Farbskala verinnerlicht, die über ein Dutzend Abstufungen von gelb bis schwarz verfügt. Und wer so schwarz ist wie sie, gilt am wenigsten.
In der ersten Szene bekommt sie feierlich ihr Abschlusszeugnis überreicht, aber ihre Gedanken kreisen nur um das vorgeschriebene weiße Kleid, weil dieses Kleid ihre Blackness besonders hervorhebt. Ihre Mutter ermahnt sie, einen hellhäutigen Mann zu heiraten, damit sie keine pechschwarzen Kinder haben würde. Ihr trauriges Schicksal soll sich nicht wiederholen.
Frank Zamboni, Samstagskunde
Lauri Kubuitsile - Zerstreuung
Tjipuka ist gerade Mutter geworden, hat eine glückliche Beziehung und eine beste Freundin seit Kindertagen an ihrer Seite. Dann brechen Krieg, Vertreibung und Genozid in ihr Leben. Sie flieht durch die Wüste und kämpft um ihr Leben und das ihres Kindes.
Riette träumt von einer Ausbildung in der Stadt, weg vom Hof der Familie und der harten Arbeit, sie wird verheiratet, muss sich in ihrer neuen Familie mit zwei älteren Stieftöchtern zurechtfinden und plant weiter ihren Ausbruch aus dem fremdbestimmten Leben.
Zwei Frauen, deren Schicksal von Gewalt geprägt ist. In diesem Buch werden ihre Erfahrungen in klarer Sprache und aller Deutlichkeit erzählt. Trotz der Gewalt und der immer wieder kaum auszuhaltenden Trostlosigkeit erfahren wir auch, wie resilient und mutig beide Frauen ihr Schicksal tragen und ihr Leben zu verbessern suchen. Sie kümmern sich, bilden Freundschaften und gehen ihre Wege.
Jana Kling

Michel Bergmann
Mameleben
oder das gestohlene Glück
Großartig und nervtötend, liebevoll und erdrückend, aufopfernd, aber auch übergriffig – Michel Bergmann liebt seine Mutter Charlotte und hält sie manchmal nicht aus. Er erzählt in diesem Buch die Geschichte ...