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josfritz Buchhandlung Freiburg
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Jennifer Clement

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Aus dem Englischen von Nicolai Schweder-Schreiner.
Suhrkamp Verlag , Taschenbuch , 228 Seiten

 8.99 €

 978-3-518-46640-7

 07.12.2015

Gebete für die Vermissten

Jennifer Clement erzählt aus der Sicht eines 14-jährigen Mädchens („Ladydi“) von dem harten Leben in den mexikanischen Bergen der Provinz Guerrero, wo Drogenkartelle die Menschen einschüchtern, terrorisieren und töten. Gewalt ist hier allgegenwärtig: „In Guerrero fahren Taxis, die haben ein Pappschild auf dem Armaturenbrett, wo ‚Nehme keine blutenden Fahrgäste mit‘ draufsteht.“
In den Dörfern wohnen fast nur noch Mütter mit ihren Töchtern, denn die Väter und Söhne sind auf der Suche nach Arbeit über die Grenze in die USA verschwunden oder bereits tot.
Die Mütter verkleiden ihre Töchter als Jungen, machen sie mit schwarzer Kohle hässlich und verstecken sie in Erdlöchern, um sie davor zu bewahren, von Drogendealern mitgenommen und zur Prostitution gezwungen zu werden. „Mexiko ist eigentlich ein Kaninchenbau voller versteckter Frauen“, so lautet der lakonische Kommentar der Halbwüchsigen. Und Polizei, Armee, Justiz oder Politik tun nichts dagegen. Im Gegenteil: Sie sind oft selbst verstrickt in die Machenschaften der Drogenclans. Zum Beispiel versprühen Militärs aus Hubschraubern giftige Pestizide auf die Häuser und Gärten der Frauen, anstatt die Mohnfelder der Drogenmafia zu zerstören.
Die Protagonistin träumt von einem besseren Leben. Sie schafft es sogar, als Hausmädchen in Acapulco unterzukommen und dort ein paar schöne, unbeschwerte Monate zu verleben, wird dann aber – ohne etwas davon zu ahnen – in einen Machtkampf unter Drogendealern hineingezogen. Das Beeindruckende: Die weiblichen Hauptfiguren entwickeln – trotz aussichtsloser Lage und vieler Konflikte untereinander – eine unglaubliche Widerstandskraft. Wenn es darauf ankommt, stehen sie füreinander ein. Der klare Blick auf das Geschehen, die ungewöhnliche Erzählhaltung und die schnörkellose poetische Sprache machen diesen Roman zu etwas Besonderem.

Die US-Schriftstellerin Jennifer Clement wuchs in Mexiko-Stadt auf und war einige Jahre Präsidentin des mexikanischen Schriftstellerverbandes. Sie hat zehn Jahre lang für dieses Buch recherchiert und unzählige Interviews mit mexikanischen Mädchen und Frauen geführt, die unmittelbar vom Drogenkrieg betroffen waren. Aus diesem Material hat sie dann dieses berührende, großartige Buch geschrieben.    

Gisa Windhüfel, Lektorin